Auf zu neuen Ufern: Jobwechsel total
Fragen aus Coaching und Karriereberatung
Bei meinen Aktivitäten als beruflicher Coach sowie bei diversen Veranstaltungen, bei denen ich in der Laufbahnberatung aktiv bin, haben sich mit der Zeit bestimmte Themen herauskristallisiert, die immer wieder Fragen aufwerfen.
Ich stelle hier einige spannende Fragestellungen zusammen, die auch für die Besucher meiner Homepage von Interesse und von Nutzen sein könnten.
Frage:
In absehbarer Zeit werde ich mit meiner Partnerin zusammenziehen und dafür auch das Bundesland wechseln. Bisher habe ich vier Jahre lang als Entwickler in der Automobil-Branche gearbeitet. Gerne möchte ich mit dem Standortwechsel nun auch einen nächsten Schritt auf der Karriereleiter machen und mich auf Stellen als Projekt- oder Teamleiter bewerben. Hier reizt mich die fachliche bzw. disziplinarische Führungsverantwortung.
Da mir jedoch die Automotive-Branche in den letzten Jahren zu „trendy“ und zu wenig nachhaltig erschien, möchte ich ihr den Rücken kehren: raus aus dem dynamischen und zuweilen auch hektischen Automotive-Geschäft und hin zur nachhaltigeren, stärker ökologisch geprägten Möglichkeiten.
Vielleicht kann ich ja als Quereinstiger in der Energiebranche Fuß fassen? Es wäre natürlich perfekt, meine beiden Wünsche – Führungsposition und neue Branche – miteinander zu verbinden. Wie sollte ich vorgehen, damit es klappt?
Sehr geehrter Fragesteller,
da haben Sie sich viel vorgenommen! Erst einmal meinen Glückwunsch: es ist doch einfach schön, wenn man seinen Partner / seine Partnerin nicht mehr nur am Wochenende sieht, sondern sich gemeinsam ein Leben aufbauen und einrichten kann. Bei Ihnen ist das nun noch verbunden mit Umzug und Jobwechsel. Ein spannender Lebensabschnitt, der da gerade auf Sie zukommt!
Wie ich Ihren Ausführungen und auch Ihrem angehängten Lebenslauf entnehmen kann, haben Sie sich während der letzten vier Jahre schon ordentliche Sporen in Ihrem Berufsleben verdient. Als Entwickler im Bereich Funktionale Sicherheit haben Sie offensichtlich gute Arbeit geleistet und durften auch schon Projekterfolge feiern.
Nun haben Sie sich überlegt, dass es Zeit wäre für einen nächsten Schritt, was absolut nachvollziehbar ist. Eine Projektleitungsaufgabe mit erster fachlicher Führungsverantwortung würde nahe liegen, vielleicht auch gleich eine Team- oder Gruppenleitung. Wobei ich hier gerne ein erstes Mal einhaken möchte: Nicht jedem guten und kompetenten Fachexperten ist auch das Thema Personalverantwortung und Menschenführung in die Wiege gelegt. Und das muss auch gar nicht sein: Ein erfolgreicher Berufsweg kann genauso gut von umfassender fachlicher Verantwortung geprägt werden. Sie stehen auf Ihrem Karrierepfad momentan genau an der Stelle, an der Sie diese Entscheidung treffen und den Wegweiser für Ihre künftige Ausrichtung setzen. Hören Sie gut in sich hinein, und fragen Sie sich, was Sie am meisten motiviert und woraus Sie wirklich Freude an Ihrer Arbeit ziehen.
Eine Teamleiter-Aufgabe kann viel Spaß machen; man muss sich nur klar darüber sein, dass man sich ein Stück weit vom rein fachlichen Kernprozess entfernt. Das ist zwangsläufig der Fall und bedingt durch zusätzliche Aufgaben, die Sie dann wahrnehmen müssen: neben Führungsverantwortung wären da Reporting in die entsprechenden Gremien, ebenso Budget- und Kostenverantwortung – also wesentlich mehr betriebswirtschaftliche Aspekte als bisher. Wenn man das bewusst anstrebt, ist dieser Spannungsbogen durchaus interessant und erfüllend.
So weit so gut – nun schreiben Sie, dass Sie aber am liebsten auch gleichzeitig noch die Branche wechseln möchten.
Lassen Sie uns hier zusammenfassen: Sie wechseln ja schon definitiv Ihren Standort und ziehen in ein anderes Bundesland. Das bedeutet erschwerte Bedingungen für Ihr privates Umfeld, Freunde und Familie trifft man nicht mehr ganz so häufig, es gilt ein neues soziales Netz aufzubauen. Oft ticken die Menschen in einem anderen Landstrich ja auch ein wenig anders – was generell kein Problem ist, aber manchmal das Eingewöhnen etwas schwieriger macht. Zudem werden Sie definitiv ein neues berufliches Umfeld haben, das steht ebenso fest. Also – sollten Sie nicht zumindest zunächst mal noch an EINEM Baustein festhalten, auf den Sie zählen können – nämlich Ihre Fachexpertise? Neuer Wohnort, neuer Arbeitgeber, neue und unbekannte Aufgabenstellungen und Herausforderungen plus neue und bisher unbekannte Branche – das wären mir persönlich zu viele „Unbekannte“ in der Gleichung.
Mein Rat ist: Bauen Sie auf Ihre Kompetenz. Dazu bieten sich zwei Wege an:
- Entweder Sie halten – zumindest noch für diesen kommenden Wechsel – an Ihrer Branche fest und verändern sich innerhalb Automotive. Hier spricht gar nichts dagegen, dass Sie eine Aufgabe mit (fachlicher und/oder disziplinarischer) Führung anstreben.
- Oder: Wechseln Sie die Branche, suchen Sie sich aber zunächst einmal eine Aufgabe, in der Sie Ihr erworbenes Wissen gezielt und souverän einsetzen können. Somit landen Sie auf einigermaßen sicherem Terrain und haben die Chance, Ihr neues Umfeld kennenzulernen und einschätzen zu können. Sie werden feststellen, dass die Wirtschaftszweige durchaus unterschiedlich „ticken“ und man auch anders agieren muss. Das Automotive-Geschäft ist sehr flexibel und weist eher kurze Entwicklungszyklen auf. Großserienproduktion steht auf der einen, individuelle (Einzel-)Fertigung auf der anderen Seite. Das verlangt selbstredend nach differenzierten Herangehensweisen. Auf der Ebene eines Senior oder Lead-Engineers könnten Sie hier Ihre ganze Fachexpertise unter Beweis stellen und, nachdem Sie sich ins neue Umfeld eingearbeitet und die Unternehmenskultur kennengelernt und verstanden haben, Ihren gewünschten Karrierepfad weiter verfolgen.
Zwischen Ihren Zeilen lese ich, dass Ihr Wunsch eines Branchenumstiegs stärker ausgeprägt ist als der nach sofortiger Übernahme von Führungsverantwortung. Das würde sich gut ergänzen mit einem Trend im Bereich Erneuerbare Energien: Dort werden vermehrt Quereinsteiger gesucht – frischer Wind und neue Denkansätze sind gefragt. Das könnte Ihnen gut doch in die Karten spielen, oder?
Wahrscheinlich sagen Sie jetzt: „Ganz schön konservativ, die Frau Freund.“ So mag meine Antwort durchaus wirken – aber als Beraterin und selbstständige Unternehmerin habe ich gelernt, nicht zu schnell zu viel zu wollen. Auch ich setze mir ehrgeizige und anspruchsvolle Ziele – aber ich muss in der Lage sein, sie auch Schritt für Schritt zu erreichen. Wenn die Trauben zu hoch hängen, hat man schnell keine Lust mehr, neuen Anlauf zu nehmen und weit zu springen. Ich denke, Sie wissen was ich meine.
Ihnen ganz viel Glück und Erfolg beim nächsten beruflichen Schritt!
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!